Tel Avivs Pride-Marsch kehrt zurück und setzt Zeichen im KriegTel Avivs Pride-Marsch kehrt zurück und setzt Zeichen im Krieg
Trotz Krieg, Verlust und Unsicherheit: Die LGBTQ+-Community Israels feiert in Tel Aviv ein Fest des Lebens – laut, bunt und politisch
Am kommenden Freitag verwandelt sich Tel Avivs Strandpromenade wieder in ein farbenfrohes, lautes Bekenntnis zur Freiheit: Der diesjährige Pride-Marsch, der nach einer kriegsbedingten Pause im vergangenen Jahr wieder in seiner ursprünglichen Form stattfindet, wird zur stärksten Demonstration queeren Lebens in Israel seit dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023. Es ist keine bloße Feier – es ist ein politisches Statement inmitten eines andauernden Krieges. Ein Zeichen von Trotz und Hoffnung zugleich.
Der Marsch beginnt um 12:00 Uhr an der Straße Shalag, nahe dem Frishman-Strand, führt entlang der Tel Aviver Strandpromenade nach Süden und endet mit einer großen Abschlussveranstaltung im Charles-Clore-Park. Der diesjährige Leitspruch „Eine Bühne. Eine Gemeinschaft. Ein Stolz.“ ist mehr als nur ein Slogan – er ist eine Widmung an all jene aus der LGBTQ+-Community, die seit Kriegsbeginn dienen, leiden, kämpfen und trotzdem sichtbar bleiben.
Denn während Israel weiterhin um die Freilassung seiner Geiseln kämpft, während Soldaten an mehreren Fronten im Einsatz sind, zeigen Tel Avivs Straßen, dass die Liebe nicht zum Schweigen gebracht werden kann. Dass es auch im tiefsten Dunkel noch Menschen gibt, die tanzen, kämpfen und sich zeigen.
Politik, Pop und Persönlichkeiten – das Line-up
Auf der Hauptbühne im Charles-Clore-Park werden einige der bekanntesten Künstler*innen Israels auftreten: unter ihnen Idan Raichel, Zehava Ben, Harel Skaat, Nono, Eden Golan, Ania Bukstein, Ivri Lider, Emily Cooper, Omer Adam und viele mehr. Musikalisch reicht das Spektrum von traditionellem Mizrahi über Pop und Electro bis zu Drag-Performances mit Kultstatus.
Durch das Programm führen fünf prominente Gesichter aus dem Musical „Priscilla, Queen of the Desert“: Lee Biran, Michael Ben David, Yeheskiel Lazarov, Tal Klay (alias Talula Bonet) und Moshik Galamin. Sie werden nicht nur moderieren, sondern auch selbst mit Gesangseinlagen glänzen – eine Hommage an queere Bühnenkultur, die in Israel zunehmend an öffentlichem Respekt gewinnt.
Prominenter Besuch: Caitlyn Jenner als Ehrengast
Ein Höhepunkt des diesjährigen Marsches ist der Auftritt von Caitlyn Jenner, die als Ehrengast in Tel Aviv erwartet wird. Als eine der weltweit bekanntesten Transfrauen bringt sie nicht nur Glamour, sondern auch internationale Aufmerksamkeit mit. Jenner wird nicht nur die Bühne betreten, sondern auch ein Statement gegen Ausgrenzung und für globale Solidarität setzen – gerade jetzt, da Israels LGBTQ+-Community immer wieder auch Zielscheibe ideologischer Angriffe ist.
Ein stilles Gedenken – und lauter Stolz
Doch so sehr der Pride auch ein Fest ist – in diesem Jahr ist er unübersehbar durchzogen von Schmerz. Viele der Teilnehmenden tragen die Erinnerung an Freunde, Geliebte, Brüder und Schwestern mit sich, die am 7. Oktober ermordet wurden oder seitdem kämpfen. Besonders bewegend: Die sogenannte „Miluimnikim-Truck“, ein Wagen für queere Reservist*innen, die seit Kriegsbeginn in Uniform dienen. Es ist ein Ort des Gedenkens – und der Anerkennung.
Die Organisator*innen betonen: Der Marsch sei nicht trotz des Krieges, sondern wegen des Krieges so wichtig. Sichtbarkeit bedeute Überleben. Gerade jetzt, wo Israels Gesellschaft erschüttert sei, brauche es gemeinsame, offene Räume. Räume, in denen Vielfalt nicht als Gefahr, sondern als Stärke begriffen werde. Die Stadt Tel Aviv unterstützt das Event umfassend: Der Verkehr wird umgeleitet, die Busverbindungen werden verstärkt, und sogar die berühmte Yehudit-Brücke wird in Regenbogenfarben erstrahlen.
Ein Symbol – auch über Israel hinaus
In einer Zeit, in der Israel international zunehmend isoliert wirkt, ist der Pride ein bewusstes Gegenbild: eine offene Gesellschaft, die nicht nur um sich selbst kreist, sondern universelle Werte hochhält – Freiheit, Würde, Sichtbarkeit. Gerade die queere Community Israels steht wie kaum eine andere für diesen Widerspruch: Teil einer Nation im Krieg, und zugleich Mahnerin für Frieden, Menschlichkeit und das Recht auf Liebe.
Dass der Pride nicht abgesagt wurde – obwohl die Zeiten alles andere als festlich sind – ist ein Bekenntnis. Wer in Tel Aviv am Freitag tanzt, tut das mit Herzklopfen, aber ohne sich zu verstecken. Wer ein Schild hochhält, tut das für sich – und für die, die nicht mehr da sind. Wer ein Kostüm trägt, trägt auch Erinnerung. Und wer singt, macht aus Schmerz einen Klang, den die Welt hören soll.
Autor:
Bild Quelle: Screenshot Instagram
Dienstag, 10 Juni 2025